Zucker: Die letzte legale Droge

Zuviel Zucker ist ungesund, das predigen wir schon unseren Kindern. Doch wie viel ist „zu viel“? Das untersuchten Wissenschaftler jetzt anhand von Mäusen, denen sie Zucker-Diäten verabreichten. Bereits geringe Zuckermengen wirkten sich negativ auf die Tiere aus.

Statistisch gesehen verzehrt jeder Deutsche etwa 34 kg Zucker pro Jahr. Dabei braucht der menschliche Körper eigentlich gar keinen Zuckerzusatz, er kann Zucker aus Kohlenhydraten einfach selbst herstellen. Die Lust auf Süßes ist uns offenbar angeboren, denn schon Muttermilch schmeckt sehr süß und in der Natur ist süßer Geschmack ein Signal für „nicht giftig“. Für unsere Vorfahren war Nahrung knapp und Zucker nur in Form von Honig oder Früchten verfügbar. Heute gibt es Zucker im Überfluss – ein Milliardengeschäft für die Industrie. Haushaltszucker, oder chemisch Saccharose besteht aus zwei Teilen: Glucose, auch Traubenzucker genannt und Fructose, Fruchtzucker.

Zucker ist Zucker
Glucose verwertet der Körper mit Hilfe des Hormons Insulin. Da Fruchtzucker direkt von der Leber verarbeitet wird, galt es lange Zeit als gesündere Alternative. Doch inzwischen gibt es Hinweise, dass Fructose Übergewicht fördert und die Entstehung von Diabetes begünstigt. Wenn sehr viel Fruchtzucker, der wegen seiner hohen Süßkraft gerne Softdrinks zugefügt ist, verzehrt wird, lagert die Leber Fett ein. Dann können auch bereits Kinder eine Fettleber entwickeln. Fructose aus Obst gilt als weniger belastend für den Körper, da die Ballaststoffe in Früchten verdaut werden müssen und so dafür sorgen, dass der Zucker nicht zu schnell in die Leber gelangt. Außerdem nimmt der Körper beim Verzehr von Obst auch wichtige Vitamine auf.

Wie viel Zucker ist zu viel?
Doch wie viel Zucker kann der menschliche Körper aufnehmen, ohne krank zu werden? Dr. Ina Bergheim von der Universität Hohenheim, die sich bereits seit Jahren mit dem Thema Zuckerkonsum im Zusammenhang mit übergewichtigen Kindern beschäftigt, äußerte sich dazu gegenüber dem WDR: „Bisher gibt es kaum oder keine Daten dazu, die besagen, was zu viel ist. Wir haben in unseren eigenen Studien festgestellt, dass wir Kinder haben, die normalgewichtig sind und weder einen Leberschaden haben noch unter Bluthochdruck leiden, aber das Doppelte an Zucker im Vergleich zu einem übergewichtigen Kind konsumieren.“

Ist Zucker ein Gift?
Für Prof. Robert Lustig von der University of California in San Francisco, USA, ist Zucker ein im wahrsten Sinne des Wortes schwerwiegendes gesellschaftliches Problem. Er mahnt bereits seit Jahren, dass Zucker nicht ein Problem bei der Bekämpfung von Übergewicht und dessen Folgen sei, sondern DAS Problem. „Die meisten Leute, inklusive vieler Wissenschaftler, sind der Meinung, dass Zucker deshalb gefährlich sei, weil es nur leere Kalorien sind. Wir gehen noch weiter: Zucker ist nach unserer Auffassung ein Gift, wie Alkohol, denn er wirkt im Stoffwechsel ähnlich wie Alkohol.“ Seine Aussagen sind nicht unumstritten, aber es gibt inzwischen selbst in den USA immer mehr zuckerkritische Wissenschaftler. „Wenn Zucker süchtig macht und wenn überall zu viel davon verfügbar ist, werden Menschen Zucker essen, wenn wir nicht gesellschaftlich intervenieren“, so Prof. Lustig. Prof. Rainer Spanagel von der Universität Heidelberg bringt das Zuckerproblem auf den Punkt: „Die Zivilisation hat die Evolution überholt. Denn die Evolution hat nicht damit gerechnet, dass Menschen einmal in einem Paradies leben würden. Und genau das tun wir heute was die Nahrungsmittel anbelangt.“

Auch Schlanke gefährdet
Zucker ist nicht nur ein Problem von übergewichtigen Menschen. Auch bei Schlanken kann der Insulinhaushalt durch zu viel Zucker durcheinanderkommen, wie die etwa 15 % nicht übergewichtigen Typ II Diabetiker zeigen. Auch Tumorzellen lieben Zucker – das ist wissenschaftlich unumstritten. Einige Forscher, darunter Prof. Lewis Cantley von der Harvard Medical School in Boston, gehen sogar davon aus, dass Zucker Krebs verursachen kann. Er vermutet, dass 30 % der Krebsfälle in Europa und den USA durch einen vernünftigeren Zuckerkonsum vermeidbar wären. Noch ist das nur eine Vermutung. Gewiss sei jedoch, dass 24 verschiedene Krebsarten besonders oft bei Diabetikern auftreten, so Cantley. Und weil immer mehr jüngere Menschen unter Diabetes leiden, steige auch das Krebsrisiko dieser Altersgruppe an.

Wie wirkt sich ein realitätsnaher Zuckerkonsum aus?
Dass Zucker ursächlich an verschiedenen Erkrankungen beteiligt ist, ist hinlänglich bekannt. Doch wie viel Zucker ist eigentlich zu viel? Dieser Frage widmete sich ein Forscher-Team von der University of Utah in Salt Lake City, USA. Dazu fütterten sie die Hälfte ihrer knapp 100 Wildtyp Mäuse, die über einen natürlichen Stoffwechsel und ursprüngliche Verhaltensweisen verfügen, mit normalem, die andere Hälfte mit zuckerhaltigem Futter. 25 % der Kalorien des zuckerhaltigen Futters stammten dabei aus Glucose-Fructose-Gemisch, wie es auch in zahlreichen Softdrinks vorkommt. Auf den Menschen übertragen spiegele dieses Futter eine normal gesunde Ernährung plus zusätzlich drei Gläsern Limonade täglich wider, erklären die Forscher. Rund ein Viertel der US-Amerikaner konsumiere diese Dosis Zucker täglich.

Früher tot, weniger Nachkommen, kein Durchsetzungsvermögen
Während ihrer Studie beobachteten die Wissenschaftler das Verhalten der Tiere, ihre Fortpflanzungsfähigkeit und ihre Lebensdauer. Bei den Weibchen wirkte sich der Zuckerkonsum auf die Lebensdauer aus. Nach 32 Wochen war 35 % der Zuckeresser verstorben, bei den normal ernährten Mäusen waren es nur 17 % – gerade einmal die Hälfte. Bei den Männchen beeinflusste der Zucker die Todesrate zwar nicht, wohl aber ihr Fortpflanzungsvermögen: Die mit Zucker gefütterten Männchen hatten rund ein Viertel weniger Nachkommen gezeugt als die Männchen der Kontrollgruppe, wie die Forscher berichten. Und auch ihr Verhalten zeigte Unterschiede: Die Männchen der Zuckergruppe schafften es signifikant seltener, begehrte Plätze im Käfig für sich zu erobern.

Äußerlich unauffällig
Ihre Versuchsergebnisse, die die Wissenschaftler im August im renommierten Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlichten, interpretieren sie folgendermaßen: “Zucker ist selbst in Dosen schädlich, die wir täglich zu uns nehmen und die bisher als harmlos galten“, erklärt der Studienkoordinator Dr. James Ruff. Und vielleicht noch erschreckender: Den zuckerkonsumierenden Versuchstieren unterschieden sich rein äußerlich nicht von den zuckerfrei ernährten Kontrolltieren: Sie waren weder dicker noch hatten sie erhöhte Blutzuckerwerte oder anormale Insulinwerte. Lediglich die Cholesterinwerte seien leicht erhöht gewesen, so die Forscher.

Warum es solche Untersuchungen nicht schon längst gab? „Die gab es durchaus, nur mit sehr viel höheren Zuckerdosen und hochgezüchteten Labormäusen, die zudem in einer wenig natürlichen Umgebung gehalten wurden“, schreiben die Forscher, die vor allem an reellen Versuchsbedingungen interessiert waren.

Zuckerverbot in New York City
Dass Zucker in unserer Gesellschaft bereits zu einem riesen Problem geworden ist, zeigen die bisher erfolglosen Versuche des Bügermeisters von New York City, dem süßen weißen Pulver Herr zu werden: 60 % der Einwohner New York Citys gelten als übergewichtig. Bürgermeister Bloomberg sah sich gezwungen zu reagieren und versuchte Anfang des Jahres alle XXL-Becher für Softdrinks und Kaffee gesetzlich verbieten zu lassen. Diese Getränke sollten nicht mehr in Bechern mit einem Volumen über 16 Unzen, also 473 Millilitern, verkauft werden. Klagen der Getränkeindustrie konnte der gut gemeinte Gesetzesentwurf jedoch nicht standhalten. Ob die Größe der Getränkebehälter tatsächlich maßgeblich am Ernährungsstil der Menschen beteiligt ist, bleibt außerdem fraglich.

Quelle: www.docckeck.com
Autorin: Sonja Schmitzer

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